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Channel: Undine de Rivière – Blog – Bizarrlady, Domina, Zofe, Sklavin, Fetisch-Escort in Hamburg
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Undine im Laufhaus

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Nachdem ich den Erfahrungsbericht einer Kollegin aus einem Flatrate-Bordell sehr hilfreich fand, um mir ein realistisches Bild über die Arbeitsweise in solchen Läden zu machen, hab ich mich entschlossen, auch mal ausserhalb meiner Komfortzone zu recherchieren und habe das letzte Wochenende in einem Laufhaus in einer Großstadt irgendwo in Deutschland verbracht. Ich hab ja im Moment viel Kontakt zu Politik und Presse und es geht mir massiv auf den Zeiger, dass man mir immer wieder erklärt, ich säße als Deutsche und zudem Domina in meinem Elfenbeinturm und wisse nicht, was an der Basis abginge.

Ich möchte mich übrigens in aller Form bei dem Herrn entschuldigen, der mich erkannt hat und dem ich dort vor Ort erklärte, er müsse sich irren. Ich wollte nicht, dass meine Recherche sich vor deren Abschluss herumspricht.


Das Rotlichtviertel, das ich mir ausgesucht hatte, ist ein ganzer Straßenzug bestehend aus Laufhäusern unterschiedlicher Standards, insgesamt mehrere hundert Zimmer. Das ist vermutlich die Atmosphäre, die mit “Bordell Deutschland” gemeint ist – die Mieterinnen weit überwiegend Frauen aus Osteuropa, die Kundschaft, zumindest am Wochenende, Sextouristen in Feierlaune aus aller Herren Länder.

Ich hatte mich in einem der moderneren Gebäude eingemietet, ein verschachtelter Komplex mit etwa hundert Betten, der beim Bau schon als Laufhaus konzipiert wurde. Ich hatte dort ein Zimmer mit etwa zehn Quadratmetern, Boden gefliest, einem 1,40er Bett (über den Zustand der Matratze schweigen wir), Barhocker, Spiegel, Nachttisch mit Telefon, Kleiderschrank und Kommode, Fernseher, mäßig gut arbeitender Klimaanlage und ein kleines Bad mit Toilette, Dusche, Waschbecken und Bidet. Bettwäsche und Handtücher waren selbst mitzubringen, oder wie ggf. auch alle anderen Arbeitsmaterialien im hauseigenen Shop zu kaufen. Das Zimmer hatte ein Fenster mit Vorhang zur Eingangshalle, so dass man sich für die Besucher sichtbar auf dem Bett rekeln konnte und nicht in der Tür stehen musste. Es gibt dort aber auch Zimmer mit Fenster nach draussen, was für einen längeren Aufenthalt vermutlich eine gute Idee ist, um nicht völlig einen an die Klatsche zu kriegen. Normalpreis 130 Euro pro Tag (angeblich inklusive Pauschalsteuer), ich musste 150 pro Tag zahlen, weil ich nur Freitag Abend bis Sonntag Morgen bleiben wollte.

Essen war inklusive, es gibt eine Küche, in der rund um die Uhr Müslis, Obst, verschiedene Brote und Brötchen und ein großer Kühlschrank voll Belag zur Verfügung stehen. Einmal am Tag gibt es was warmes, was man sich später auch nochmal in die Mikrowelle stellen kann. War alles nix dolles, aber ausreichend. Die Küche war groß, hell und sauber.

Es gibt wohl auch noch einen kleinen Fitnessraum, dessen Nutzung in der Zimmermiete enthalten ist, den hab ich mir aber nicht angeschaut. Nach Möglichkeiten zum Wäsche waschen hatte ich vergessen zu fragen. Ich tippe mal auf Münzwaschmaschinen irgendwo im Keller oder sonst irgendeinen Service, ich kann mir nicht vorstellen, dass man dafür das Haus verlassen muss.

Ich hab mich dort nicht als Aktivistin geoutet, sondern ganz normal eingemietet.



Das war eine komplexe Erfahrung. Sehr skurril, was die Kundschaft dort angeht: manchmal bin ich mitten in einem völlig absurden Dialog in schallendes Gelächter ausgebrochen. Sehr anstrengend, ich hab mit zehn Stunden im Fenster sitzen und anbahnen am Freitag und zwölf Stunden am Samstag nicht ganz alle Unkosten (Miete, Fahrtkosten und kleinere Spesen) reinbekommen, geschweige denn Gewinn gemacht. Ferien, Hitze und Ramadan haben nicht geholfen, alle Kolleginnen, mit denen ich gesprochen habe, haben gejammert und die Kunden meinten auch, es sei viel weniger Betrieb gewesen als normal.

Ich hab natürlich hauptsächlich die Frischfleischjäger und Sextouristen abbekommen, und ich schwör euch, ich hab mich schon sehr, sehr lange nicht mehr so geballt mit dermaßen toxischen Menschen abgegeben. In meinem Studio hätte ich die schon beim ersten Telefonat innerhalb von zwei Minuten abgewürgt.

Die Kolleginnen dort meinten, man kann auch in so einem Laden Stammgäste aufbauen, die dann angenehmer sind. Es gibt wohl auch Frauen, die dort nur unter der Woche tagsüber arbeiten und ein ganz anderes Klientel haben. In der Umgebung sind mehrere große Betriebe, aus denen Kunden tagsüber vorbeikommen und dann auch nicht stundenlang rumrennen und feilschen, sondern zu ihrer Stammfrau gehen, manchmal sogar mit Terminvereinbarung. Das ist dann sicherlich entspannteres Arbeiten, was aber vermutlich auch nichts daran ändert, dass man sich bei dem Preisniveau und den Grundkosten keine goldene Nase verdient. (Ich hab mein möglichstes getan, mit vielen Kolleginnen ins Gespräch zu kommen, was aber häufig an der Sprachbarriere oder bestehenden Cliquen gescheitert ist. Ist aber auch klar, dass man nicht mal eben ein Vertrauensverhältnis zu einer Neuen aufbaut. Umso mehr hab ich mich gefreut, wenn ich mal eine längere Unterhaltung hatte.)

Das Personal in den beiden hauseigenen Bars war dagegen sehr gesprächig und offen, da hab ich viel erfahren. Einer der Barkeeper sagte, in Laufhäusern arbeiten keine Frauen, nur Kinder (“Blagen” war die genaue Formulierung) und an Kundschaft verkehre nur “Gesocks”. Ich war offenbar in diesem Laufhaus mit 100 Zimmern zu dem Zeitpunkt und auch schon seit einer ganze Weile die einzige Deutsche und hab sicherlich auch den Altersschnitt ein Stück angehoben.

Als Sozialstudie definitiv spannend, aber auf Dauer so zu arbeiten und auf den Verdienst angewiesen zu sein macht wirklich krank, denke ich. Ich hatte die zwei Tage ziemlich hochgedreht und die ganzen Bekloppten haben mich hauptsächlich amüsiert, aber am Sonntag Morgen musste ich dann auch erst mal emotional zusammenklappen.

Aber es ist interessant: Ich bin mir nach wie vor sicher, dass nicht die Sexarbeit das Problem ist, auch dort nicht, Sex gegen Geld ist mir im Laufhaus genauso leicht gefallen wie im Studio. Es ist die Respektlosigkeit und Grenzverletzung dieser Sorte Kunden, die krank macht. Ich würde sagen, dass von den zehn, zwölf Kunden, die ich in den zwei Tagen hatte, höchstens ein Drittel anstandslos meine Grenzen respektiert hat, der Rest hat während der Aktion verbal oder handgreiflich massiv und wiederholt versucht, mich zu Dingen zu bringen, die ich zuvor bereits explizit abgelehnt hatte oder für die sie nicht zusätzlich bezahlen wollten. In meiner alltäglichen Arbeitsweise sind selbst verbale Drängeleien die absolute Ausnahme. Und ich schätze, dass von zahllosen Männern, mit denen ich Anbahnungsgespräche geführt habe, bestimmt ein Viertel versucht hat, den vom Haus vorgegebenen Mindestpreis von gerade mal 30 Euro(!) für eine Viertelstunde Französisch und Verkehr noch runterzuhandeln.

Das Haus hat ein recht massives Security-System, Videoüberwachung auf allen Fluren, in jedem Zimmer ein Alarmknopf, acht Mann Sicherheitspersonal in Festanstellung, und das wird laut des Barkeepers auch gebraucht, weil die Kunden nicht nur drängelig sind, sondern auch mal so übergriffig werden, dass man das alleine nicht mehr in den Griff bekommt. Das hatte ich persönlich ja in zwanzig Jahren Sexwork überhaupt noch nie!

Mein Fazit ist eigentlich nichts neues: Es gibt Beziehungen (in diesem Fall geschäftliche), die von gegenseitiger Wertschätzung geprägt sind, und solche, die es nicht sind. Die einen sind bereichernd, die anderen machen krank. Die Gründe, aus denen manche Menschen ungesunde Beziehungen eingehen, sind komplex. In meinem Fall war’s ein politisches Experiment und eine persönliche Grenzerfahrung. Das, so wie ich es erlebt habe, als längerfristig bestmögliche Option zum Lebenserwerb zu sehen, ist allerdings vermutlich echt beschissen.



Ich hab mich länger mit einer dort arbeitenden dominanten Kollegin unterhalten – definitiv nicht blöd, Intensivkrankenschwester aus Ungarn, hat hauptsächlich Stammgäste und nimmt studioübliche Preise von 200+ Euro die Stunde. Die zahlt dort 130 Euro Miete pro Arbeitstag und 55 Euro Reservierungsgebühr für ihr Stammzimmer pro Tag, wenn sie nicht da ist. Ich hab sie gefragt, wieso sie sich nicht einfach eine kleine Privatwohnung nimmt – ach nun, sie will das ja nur noch ein halbes Jahr machen und dann wieder als Krankenschwester arbeiten, aber zuhause kommt sie nicht dazu Bewerbungen zu schreiben wegen der Familie, und im Puff kommt man ja sowieso zu nichts. Ich vermute mal, das sagt sie schon seit Jahren und wird das auch noch in ein paar Jahren sagen. Bis dahin hat sie dem Laden monatlich zwischen 2000 und 4000 Euro für ein zehn Quadratmeter-Zimmer in den Rachen geworfen.



Ich bin froh, dass ich das Wochenende durchgezogen habe und werde solche Exkurse wohl auch in ähnlicher Form noch gelegentlich zu anderen Zeiten und an anderen Orten wiederholen. Dabei muss ich sagen, dass mich nicht viel von dem, was ich erlebt habe, überrascht hat – ich hab ja nie behauptet, dass es keine miesen Arbeitsbedingungen in der Sexarbeit gäbe, nur, dass die weder der Sexarbeit inhärent, noch auf diese beschränkt sind.

Von Zwang, der über die “ganz normale Ausbeutung” hinausging, also über den kapitalistischen Druck auf die Frauen, unter diesen Rahmenbedingungen irgendwie ihren Lebensunterhalt zu bestreiten, habe ich übrigens mal wieder nichts mitbekommen.

Und bezüglich dessen, welche rechtlichen Regularien ggf. wirklich sinnvoll wären, um solche Arbeitsbedingungen zu verbessern, bin ich auch nicht weitergekommen. Von den ungeheuerlichen Mietpreisen im Verhältnis zu den ortsüblichen Honoraren abgesehen fand ich das Haus an sich gar nicht schlecht konzipiert, die Infrastruktur und das Sicherheitssystem durchdacht und das Personal professionell und freundlich. Als ich eine Mietquittung für meine Buchhaltung wollte, hat man mich allerdings angeschaut wie ein Auto. Das kommt wohl sonst nicht vor. Da der Geschäftsführer am Wochenende nicht im Hause ist, wurde versprochen, mir nachträglich eine zuzuschicken. Ich bin gespannt. (Nachtrag: Ich habe innerhalb weniger Tage eine vollumfänglich befriedigende Rechnung über Miete, Mehrwertsteuer und an das zuständige Finanzamt bereits abgeführter Pauschalsteuer bekommen, da lässt sich nicht meckern).

Ich weiss nicht mal, ob es etwas bringen würde, diese Wuchermieten gesetzlich zu deckeln, oder ob das nur zu einem weiteren Preisverfall aufgrund des Konkurrenzdrucks führen würde. Offenbar gibt es ja auch so jede Menge Frauen, für die sich das so lohnt und besser ist als die Alternativen …


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